Ganz oben auf der Pyramide

Ihre Geburtstagsfeste sind für Kinder enorm wichtig. Trotzdem können Eltern bei den Vorbereitungen ganz gelassen bleiben, meint Mechthild Alber.

Es lässt sich nicht alles planen

Manchmal wird’s ein echtes Glanzlicht. Wie der zehnte Geburtstag meiner Tochter, zu dem wir ein Stadtspiel vorbereitet hatten. Zufällig waren an diesem Nachmittag Straßenakrobaten unterwegs, die mit aufeinanderge­stellten Stühlen gewagte Kunststücke aufführten. Als sie vom Geburtstag unserer Tochter erfuhren, durfte sie sich ganz oben auf die Stuhlpyramide setzen. Gibt es einen stolzeren Platz, um sich zum Beginn eines neuen Lebens­jahrzehnts feiern zu lassen?

Und manchmal gibt es Katastrophen. Wie der achte Geburtstag meines Sohnes. Bei der Schnitzeljagd fand je­desmal ein anderes Kind vor ihm die richtige Lösung. Er wurde darüber so wütend, dass er am liebsten alle Gäste nach Hause geschickt hätte.

Gut für die Kinderseele

Keine Frage: Wenn andere sie an ihrem Geburtstag fei­ern, dann tut das der Kinderseele gut. Sie sind wichtig, stehen im Mittelpunkt (und laufen nicht, wie so oft im Alltag, als „die Kleinen“ nebenher). Die Mutter hat den Lieblingskuchen und Pizza gebacken, der Vater hat sich extra einen Tag Urlaub genommen (!) und Spiele vorbe­reitet, die Gäste haben Geschenke mitgebracht, die das Geburtstagskind jetzt unter großem Hallo auspacken darf – eigentlich sind alle Voraussetzungen für einen glücklichen Tag geschaffen.

Aber damit, dass sie im Mittelpunkt stehen, müssen Kinder auch zurechtkommen! Sonst kann der Geburts­tag zum Krisentag werden. „Gefährdet“ sind vor allem Kinder, um die sich im Alltag der Familie alles oder jedenfalls zu viel dreht. Der Geburtstag muss dann noch toller werden! Also wächst die Versuchung, immer auf­wändigere Events zu buchen: das Indoor-Spielparadies, die Schlittschuhdisco, der Schlangenbeschwörer… Und wehe, das Fest für unser Kind bleibt hinter dem Standard in seiner Schulklasse zurück!

Mut zu mehr Gelassenheit

Dabei haben viele Kinder durchaus ein gutes Gespür dafür, was wirklich Spaß macht. Der erste Kommentar meiner Tochter zu der Schlittschuhdisco war zwar: „Toll!“ Aber später erklärte sie, sie habe es „irgendwie auch nicht so gut“ gefunden, weil es sehr voll war und laut und jeder irgendwie für sich blieb.

Inzwischen begegne ich dem Thema Kindergeburtstag mit einer gewissen Gelassenheit. Ob es gelingt oder nicht, hängt von vielen Zufällen ab, die ich ohnehin nicht steuern kann. Daher setze ich mich auch nicht unter Stress, meinem Kind und seinen Freunden an diesem Tag alles Mögliche und das eine oder andere Unmögliche bieten zu müssen. Die Kinder dürfen mit­entscheiden, was gemacht wird. Bisher (die beiden sind inzwischen 9 und 12) wollten sie zu Hause feiern, und ihre Wünsche hielten sich dabei im „normalen“ Bereich. Den Zeitungstanz, „Benno, dein Knochen ist weg“ und den „stummen Dirigenten“ wünscht sich unser Sohn nun schon seit drei Jahren, und bei seiner Schwester ist die Schnitzeljagd nach wie vor aktuell. (Vielleicht muss es beim nächsten Mal allerdings die moderne Variante Geo-caching sein). Gewisse Rituale im Ablauf haben sich herausgebildet (Ankommen, Geschenke auspacken, Kuchen essen, Spiele draußen, Spiele drinnen …) und helfen den Kindern offensichtlich. Hin und wieder über­nehmen wir Eltern deutlich die Führung („Jetzt machen wir dieses Spiel“). Aber der Großputz findet auf jeden Fall erst hinterher statt!

Mit dieser Strategie haben wir schon viele schöne Ge­burtstage erlebt, bei denen – zum Beispiel – zehn Mäd­chen in einem großen Zelt übernachteten oder eine Bande Jungs im Schnee Fußball spielten. Manchmal ergaben sich dabei wunderbar entspannte Momente, bei denen ich mit den Kindern ins Gespräch kam oder ganz begeistert und selbstvergessen mitspielte. Dann finde ich Kindergeburtstage richtig toll.

Mechthild Alber